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Feuerland = Wolkenland

Punta Arenas, Chile


Porvenir, 21. Dezember, 22:00 Uhr - Runde 170 Kilometer führte die Fahrt entlang der Magellanstrasse auf dem Festland zum Fährhafen. Einziger Zwischenstopp war die Geister-Estanzia San Gregorio. Ich hatte mich schon aufgrund der Wettervorhersage auf drei Tage Regen eingestellt, aber ausser ein paar dicken grauen Wolken vor blauem sonnigem Himmel war davon nichts zu sehen. In düstere Stimmung versetzte mich dann allerdings der Anblick der vielen verlassenen Gebäude dieser 1876 erbauten Estancia, keine Menschenseele, am Strand zwei verrostete Schiffswracks. Von blökenden Schafen angelockt - (Was machen die denn da, hier ist doch gar niemand ?) - habe ich zwei der halb verfallenen Gebäude näher und von innen betrachtet und mich schließlich ganz spontan übergeben müssen. In einer kleinen Halle eingepfercht musste ich verwahrloste Schafe erblicken, die mich genauso überrascht angeglotzt haben, wie ich sie. Auf dem Gelände lagen mehrere Tierskelette und noch nicht so lange im Verwesungsprozess befindliche Schafskörper herum und es roch auch so gar nicht gut. Bäh, wie ekelhaft. In einem im Boden eingelassenen Betonbunker haben sie mir dummerweise dann auch noch ein Guckloch offen gelassen. Scheiss-Neugier, ich hätte besser nicht hineingesehen! Dort waren nämlich noch mehr tote Schafe entsorgt worden: ab ins Loch, die Natur wird es schon richten. Ich kann mir nicht vorstellen, dass diese Vorgehensweise Usus ist. Ziemlich barbarisch kommt mir das vor. Vielleicht nutzt irgendwer illegal diese verlassenen Gebäude und die Schafe sind gestohlen? Wäre mir das in Deutschland begegnet, hätte ich vielleicht beim Tierschutz angerufen oder bei der Presse. Aber hier ist erstens gar kein Netz und zweitens vermutlich kein Tierschutz und drittens kann ich mich ja auch gar nicht verständlich machen. Egal, mir ist total schlecht und ich will es auch eigentlich gar nicht so genau wissen. Nichts wie Weg hier, schnell wieder ins Auto, weiterfahren und an was anderes denken.

Am Fährhafen hat mich erstmals der Anblick des Himmels gefesselt: In der einen Richtung ein schweres schwarzes Wolkenbrett und in der anderen Richtung strahlend blauer Himmel und Sonne. Kurios. Fast hätte ich die kleinen Delfine übersehen, die unsere Fährüberfahrt in den Bugwellen des Schiffs surfend begleitet haben. Lustig sahen die aus: ganz klein und schwarz-weiss gescheckt. Und putzmunter :-) Nach ca. 30 Minuten auf der Fähre war dann die Isla Grande Tierra del Fuego erreicht! Vor uns die hier noch asphaltierte Strasse nach Süden und Graspampa. Auf der langen Fahrt Richtung Porvenir war ich dann absolut hin und weg wegen der dramatischen Himmelsinszenierung: Hauptakteuere auf Feuerland sind Wolken und Wind, das steht schonmal fest! Ausser Schafen, Guanakos und hier und da mal einer Estancia oder einem Fischerboot an der Küste gibt es ansonsten auch nichts, was das Auge davon ablenken könnte. Ich kann das gar nicht angemessen mit Worten beschreiben, das muss man gesehen haben: Der Himmel sieht irgendwie mehrdimensional aus. Verschiedenste Wolkenschichten liegen übereinander, Sonnenstrahlen dringen hier und da durch und beleuchten wie ein Flutlichtstrahler Wasser und Pampa. Andernorts regnet es und man sieht am Horizont nur einen grauen Schleier, der nach unten hängt. Regisseur der Aufführung ist der starke Wind, der auch hier wie in ganz Patagonien alles in Bewegung hält, die Grassteppe kämmt und weisse Schaumkronen aufs Wasser zeichnet. Total faszinierend!

Nach ca. zweistündiger Fahrt mit mehreren Fotostops in Porvenir angekommen, gestaltete sich die Suche nach einer Unterkunft eher schwierig, denn man muss wirklich suchen und das Preis-Leistungsverhältnis stimmte bei den anfänglich besichtigten Häusern so gar nicht. Mit dem "Hotel Central", einer kleinen wirklich netten Pension, war ich dann sehr zufrieden. Zwar ist Porvenir die grösste chilenische Stadt auf Feuerland, aber sie zählt nur wenig mehr als 5000 Einwohner, die meisten Nachfahren kroatischer Siedler, die im Zuge eines Goldrausches am Ende des 19. Jahrhunderts auf die Insel kamen. Der ganze Ort wirkte auf mich an diesem Abend ziemlich heruntergekommen, darüber täuscht die schöne Lage an der gleichnamigen Bucht auch nicht hinweg. Lag sicher auch am grauen Wetter. Geregnet hatte es aber nicht, darüber war ich sehr froh, denn so konnte ich den Abend am Meer verbringen und den Sonnenuntergang über der Magellanstrasse bewundern: Auf den grössten Hügel mit Blick auf die Bucht und windgeschützt im Jeep Brathähnchen mit dem Taschenmesser zerlegt und verspeist, später zum Leuchtturm und an der Küste entlanggefahren. Wahnsinns-Abendhimmel in allen möglichen Farben und rauhe See. Gut, wenn man im Auto sitzen kann, um vor dem eisigen Wind geschützt zu sein. Länger als 15 Minuten habe ich es - ok bin bekennende Frostbeule ;-) - trotz Goretex-Jacke, Mütze und Schal nicht ausgehalten. Und die Szenerie lädt doch so sehr zum Verweilen und genießen ein. Aber im Auto sitzen und an der Küste entlangfahren ist einfach klasse, passende Musik dazu (Polarkreis 18 ;-) und mehr habe ich an diesem Abend nicht mehr gebraucht. Viel viel besser als Kino!

Am nächsten Morgen ging die Erkundungstour gen Süden weiter, entlang der Bahia Inutil, der "nutzlosen Bucht" über das Örtchen Cameron zum Lago Blanco in der Pampa Guanako. Das Fahren war teils entspannend wegen der faszinierenden Weite dieser kargen Landschaft und teil aufregend wegen der schlaglöcherreichen Kurvenstrecke. Gut, dass wir uns keinen normalen Pkw haben andrehen lassen. Mit den Schafen hatte ich etwas Mitleid, denn die meisten waren frisch geschoren und standen mitten im kalten Wind. Frieren Schafe eigentlich wenn sie kein Fell mehr haben? Viele Guanakos und ein paar Füchse gab es noch zu sehen. Und vereinzelt tauchte dann auch mal ein Baum auf, ansonsten nur Pampagras und grüne Hügel. Auch an diesem Tag hat es nicht geregnet und verschiedenfarbigste Wolken zogen auf und ab. Der Himmel ist einfach irre, mal blau und sonnig und mal düster und grau. Man fährt mit dem Auto durch eine kleine abregnende Wolke und es wird kurzzeitig ganz dunkel und wenige Minuten später ist es wieder sommerhell und warm. Ich kann gar nicht sagen, wie oft ich Jacke, Mütze und Schal an- und ausgezogen habe ;-)

Auf den letzten Kilometern zum Lago Blanco am Nachmittag änderte sich das Landschaftsbild: inflationäres Baumaufkommen, dunklere Farben, weniger Schafe und noch mehr zottelige Guanakos. Dann war ein grosser Wald erreicht und dort hat sich ein eher unbeliebter Feuerlandbewohner breit gemacht: Biber! Die totale Waldzerstörung hat sich auf dem Weg durch diesen Urwald offenbart. Zwar habe ich keins der Tiere zu Gesicht bekommen, leider, obwohl ich mich an einem der grossen Dämme mal 30 Minuten ganz still auf die Lauer gelegt habe, aber eindrucksvoll war es allemal. Arme Bäume, fleissige Tiere. Auf einer riesigen Fläche waren nur Baumstümpfe, versumpfte Landschaft und Dämme zu sehen. Scheint eine richtige Plage zu sein. Der Lago Blanco hielt was er verspricht: Ein riesiger See, keine Menschenseele zugegen und der richtige Ort um etwas zu verweilen. Umrahmt von den Erhebungen der Darwin-Kordillere in der Pampa Guanako ist der See Wohnort riesiger Fische, der alljährlich Angler anziehen und zu den beliebtesten Orten zu diesem Zweck in ganz Chile zählt. Das Gelände des Angelvereins war leider geschlossen, die Saison beginnt wohl erst später, was mich um die erhoffte fangfrische Forelle zur Stärkung für den Rückweg gebracht hat ;-) Die gleiche Strecke ging es dann am Nachmittag wieder zurück ins Hotel nach Porvenir. Morgen geht es zurück nach Punta Arenas, letzter Urlaubstag, seufz. Klar freue ich mich auf daheim, aber ... ich könnte auch gut und gerne noch ein Weilchen hier umherreisen. Zu sehen gäbe es noch genug!

Alle Fotos der Tour nach Feuerland (303): http://schmusemeier.de/fotos/suedamerika/feuerland/bildergalerie.html

permalink written by  schmusemeier on December 21, 2007 from Punta Arenas, Chile
from the travel blog: Chile und Argentinien 2007
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